Die evangelisch-lutherische Kirche – ein Abschiedsbrief


Liebe lutherische Kirche,

du wolltest mich von Anfang an. Meinen Eltern hast Du gesagt, sie müssten mich als Baby taufen lassen, obwohl davon in der Bibel nichts steht. Meine Eltern haben später die erste Saat des Glaubens gesät und als Teenager wollte ich mehr vom Glauben wissen.

Konfirmandenunterricht

Im Konfirmandenunterricht hat der Pastor uns dann erzählt, dass man all das, was in der Bibel steht, so nicht glauben könne. Was christlicher Glaube bedeutet, habe ich erst Jahre später erfahren, mit 17, und das nicht von Dir. Und es hat dann noch einmal mehrere Jahre gedauert, bis ich zur Bibel wieder vertrauen fassen konnte, ein Vertrauen, das du mit Füßen getreten hattest.

Kann man die evangelisch-lutherische Kirche reformieren?

Ich bin Dir dann noch mehrere Jahre treu geblieben. Ich hatte ein paar fromme Christen gefunden, die auch noch zu Dir hielten, und allen hast Du Steine in den Weg gelegt. Große Mitgliederzahlen waren Dir wichtiger als eine klare Linie. Und der Zeitgeist war Dir wichtiger als das festzuhalten, was in der Bibel steht. Sola Scriptura, allein die Bibel, war das nicht das Motto, mit dem Du gegründet wurdest?

(Fast) alles geht

Aber bei Dir ging und geht alles. Buddhistische Meditation, interreligiöse Gottesdienste mit Muslimen, Segnen von homosexuellen Paaren, Kerzen vor der Marienstatue in der Petrikirche in Hamburg, es geht einfach alles. Nur zwei Dinge gehen bei Dir nicht.

Mission geht nicht

Erstens kann man bei Dir nicht klar von Jesus reden. Man darf nicht sagen, dass in Deiner Mitgliederliste der Wurm drin ist. Man darf nicht sagen, dass vielen Deiner Mitglieder der Glaube so fremd ist, dass sie Jesus nicht kennen. Wann immer man Menschen in Dir zum Glauben führt, wirst Du nervös, weil Du fürchtest, die durchschnittlichen Kirchensteuerzahler könnten die Botschaft verstehen, dass Glaube mehr ist als Taufschein und Steuerbescheinigung. Und weil Du fürchtest, dass diese Menschen dann wegbleiben, darum sollen die Frommen unter Deinen Mitgliedern schön den Mund halten.

Biblische Taufe geht nicht

Zweitens darf man sich nicht taufen lassen. Ich hatte ja eine fromme Ecke in Dir gefunden. Und viele meiner Freunde in meiner damaligen Ortsgemeinde, die zu Dir gehörte, die merkten irgendwann, dass es in der Bibel anders steht mit der Taufe. Dass man nicht hingehen kann und einen Säugling mit Wasser besprengen kann, sondern dass man Erwachsene taufen soll, Menschen, die wissen, was sie damit tun. Aber Du schaust dann nur in Dein Taufregister und sagst, der da war schon, der darf nicht nochmal.

Und dann stellte sich der Pastor, der auf Deiner Gehaltsliste stand, auf die Kanzel und sagte: wer sich wiedertaufen lässt, der möge sich bitte eine andere Gemeinde suchen. Mit ihm ginge das nicht.

Da sind dann viele gegangen, auch ich.

Ein letzter Gruß

Liebe lutherische Kirche, nicht ich habe Dich verlassen. Nein, Du hast mich verlassen. 1994 habe sich unsere Wege getrennt, aber ich habe Dich seitdem keinen einzigen Tag vermisst. Ich habe mittlerweile eine andere Kirche gefunden, die Siebenten-Tags-Adventisten, und da bin ich glücklich.

Heiko Evermann

Bildquelle: herzlichen Dank für das Bild an Andreas Breitling von Pixabay

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