Protestantische Christen kennen den Grundsatz „sola scriptura“, allein die Schrift. Allein die Bibel ist Grundlage des christlichen Glaubens. Wenn man nun als Christ versucht, den Islam zu verstehen, dann liegt es nahe, davon auszugehen, dass der Koran die einzig maßgebliche Grundlage ist. Aber: diese Annahme ist falsch.
Richtig ist nur, dass im Islam der Koran als buchstäbliche Offenbarung Gottes gilt. Im Koran sind Texte gesammelt, die Mohammed zufolge direkte Offenbarungen Gottes sind.
Aber viel von dem, was den Islam heute ausmacht, ist im Koran gar nicht geregelt. Hier ist der Hadith wichtig.
Hadith ist die Sammelbezeichnung für die frühe muslimische Tradition. Neben den Offenbarungen Mohammeds wurde sein Leben berichtet. Was hat Mohammed getan? Was hat er nicht getan? Was hat er gutgeheißen? Was hat er gebilligt.
Berichte darüber wurden gesammelt und als Vorbild weitergereicht. Vom Hadith gibt es mehrere konkurrierende Ausgaben. Und nicht alles, was in den Hadithen drinsteht, gilt auch unter Muslimen allgemein vertrauenswürdig.
Da öffnet sich also ein weites Feld der Interpretation. Und für einen Außenstehenden macht es das auch nicht leichter, den Islam zu beurteilen. Was will man antworten, wenn ein Vertreter des Islams in einer Fernsehdiskussion sagt, Mohammed habe das so und so gehandhabt? Wenn man selbst die islamische Tradition gar nicht kennt?
Wenn man sich da ein eigenes Bild machen will, dann müsste man den Hadith lesen. Komplett. Aber wer macht das schon?
Es bleibt schwierig.