Johannes 20:24-28
Joh 20:24-28 (NWÜ)
(24) Thomas aber, einer von den Zwölfen, der „Der Zwilling“ genannt wurde, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. (25) Infolgedessen sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Er aber sprach zu ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Spur der Nägel sehe und meinen Finger in die Spur der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, will ich es bestimmt nicht glauben.“ (26) Nun, acht Tage später befanden sich seine Jünger wieder drinnen und Thomas mit ihnen. Jesus kam, obwohl die Türen verschlossen waren, und er trat in ihre Mitte und sprach: „Friede sei mit euch!“ (27) Darauf sagte er zu Thomas: „Reich deinen Finger her, und sieh meine Hände, und nimm deine Hand, und leg sie in meine Seite, und sei nicht länger ungläubig, sondern werde gläubig.“ (28) Als Antwort sagte Thomas zu ihm: „Mein Herr und mein Gott!“ (29) Jesus sprach zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt? Glücklich sind die, die nicht sehen und doch glauben.“
Die Brisanz dieses Abschnitts ist enorm. An den Worten des Thomas („Mein Herr und mein Gott“) sind mehrere Punkte wichtig:
Ausruf des Erstaunenes oder Bekenntnis des Glaubens?
Zunächst müssen wir klären, an wen die Worte des Thomas gerichtet sind.
Manche Leute meinen, die Worte des Thomas seien Worte des Erstaunens gewesen, etwa wie in „O mein Gott, Du lebst“. Das wäre natürlich ein einfacher Weg, sich der Brisanz dieser Verse zu entziehen. Im Gespräch mit Zeugen Jehovas ist mir diese Ansicht auch schon vereinzelt begegnet. Ihre eigene Literatur stellt dies zumindest als eine Möglichkeit in den Raum, wie man diesen Text verstehen könnte:
Einige Gelehrte meinen, dies seien lediglich gefühlsbetonte Worte des Erstaunens, die Thomas zwar zu Jesus gesprochen, aber an Gott gerichtet habe.
(Dreieinigkeitsbroschüre Seite 29)
Auch wenn sich die Broschüre nicht selbst auf diesen Standpunkt stellt, so wird diesem Standpunkt durch die Anführung „einiger Gelehrter“ Gewicht verliehen. Was fehlt, und womit der Leser alleingelassen wird, ist: es wird gar nicht gesagt, welche Gelehrten denn diesen Standpunkt vertreten. So kann der Leser gar nicht selbst nachprüfen, wie es um die Qualifikation dieser „Gelehrten“ bestellt ist. Sind sie z.B. selbst gläubige Christen oder handelt es sich um Theologie lehrende Atheisten? Sind diese „Gelehrten“ bibeltreu oder halten sie die Bibel für Menschenwort? Sind es wichtige Theologen oder handelt es sich um akademische Randsiedler? Es bleibt im Kopf des Lesers nur hängen: „Es gibt Leute, die mehr von Theologie verstehen als ich, und die haben das auch gesagt.“
Aber die Frage, ob es sich einfach um Worte des Erstaunens handelt, läßt sich anhand des Bibeltextes einfach und klar beantworten:
Jesus hat Thomas aufgefordert, seinen Unglauben hinter sich zu lassen und stattdessen zu glauben (Vers 27). Thomas beginnt hier zu glauben und spricht seine Worte (so wörtlich im Bibeltext) als Antwort des Glaubens. Jesus hat diesen Glauben in Vers 29 ausdrücklich gelobt. Wenn es nun zwei Verse weiter in Vers 31 heißt, daß das Johannesevangelium mit dem Ziel geschrieben wurde, daß Menschen zum Glauben finden, dann ist klar, daß die Worte des Thomas genau die Worte sind, die sich Johannes von seinen Lesern erhofft: Wer glaubt, daß Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, der wird die Worte des Thomas mitsprechen und Jesus als seinen Herrn und seinen Gott anerkennen. Diese Worte sind das Ziel, auf das das Johannesevangelium hinauswill.
Thomas spricht die Worte „Mein Herr und mein Gott“ zu Jesus. Auch dies steht ausdrücklich im Text: „Als Antwort sagte Thomas zu ihm“. Thomas bringt hier nicht einen Ausdruck des Erstaunens hervor, wie z.B. „O Gott, Du lebst“. In diesem Fall müßte im Text etwas anderes stehen, wie z.B. „Thomas rief aus“. Stattdessen steht ausdrücklich im Text „Als Antwort sagte Thomas zu ihm„.
„ein Gott“ oder „mein Gott“
Wenn man nun festgestellt hat, daß Thomas mit seinen Worten Jesus direkt gemeint hat, dann gibt es immer noch eine weitere Möglichkeit, zu versuchen der Brisanz dieser Passage zu entgehen. Ein Beispiel dafür findet sich in dem Buch „Unterredungen anhand der Schriften“ auf Seite 242:
Wenn Thomas im Sinn hatte, Jesus als „Gott“ zu bezeichnen, so ist dagegen nichts einzuwenden. Es würde mit dem übereinstimmen, was Jesus selbst aus den Psalmen zitierte, in denen mächtige Männer, Richter, als „Götter“ bezeichnet werden (Joh. 10:34, 35, EÜ; Ps. 82:1-6). Selbstverständlich nimmt Christus eine weit höhere Stellung ein als solche Männer. Wegen der Einzigartigkeit seiner Stellung in seinem Verhältnis zu Jehova wird Jesus in Johannes 1:18 (NW, Si) als „der einziggezeugte Gott“ bezeichnet. (Siehe auch Kar, Thi.) In Jesaja 9:5 (EÜ) wird Jesus auch prophetisch als „Starker Gott“, nicht aber als allmächtiger Gott beschrieben. All das stimmt damit überein, daß Jesus in Johannes 1:1 als „ein Gott“ oder „göttliches Wesen“ bezeichnet wird (NW, Alb).
Hier wird ein wesentlicher Aspekt der Worte des Thomas unter den Teppich gekehrt: Thomas bezeichnet Jesus ausdrücklich als „seinen Gott“. Man mag über das Gottesbild der Zeugen Jehovas (Jehova ist „der Gott“, Jesus nur „ein Gott“) unterschiedlicher Auffassung sein. (Ich teile diese Ansicht nicht, davon an anderer Stelle mehr.) Aber hier wird vergessen, daß Thomas hier Jesus ausdrücklich zu seinem Gott erklärt. Übrigens verwendet Johannes hier auch noch den bestimmten Artikel. Und dies ist den Autoren der Literatur der Zeugen Jehovas auch bekannt. Wörtlich steht im Griechischen „ho kyrios mou kai ho theos mou“, und dies heißt laut „Einsichten“ (Band 1, Seite 1336, Stichwort „Jesus Christus“) Der Herr meines und der Gott (ho Theos) meines„. Allein schon dieser Vers Joh 20:28 zeigt somit, daß die Auslegung der Zeugen Jehovas zu Joh 1:1 unsauber ist. Thomas hat Jesus hier also nicht einfach nur als „einen Gott“ bezeichnet. Nein, Jesus ist für Thomas “ der mein Gott“
Was folgt aus Joh 20:28?
Nachdem aus Joh 1:1 folgt, daß neben dem Vater auch Jesus selbst Gott ist, folgt aus Joh 20:28 sogar auch noch, daß ich Jesus als meinen Gott bezeichnen kann. Mehr noch: Jesus hat diesen Glauben des Thomas gelobt und als Vorbild hingestellt und uns damit klargestellt, daß auch wir das tun sollen. Er fordert damit auch Dich (egal ob Zeuge Jehovas oder nicht-Zeuge Jehovas) auf, es Thomas gleichzutun und Jesus als deinen Herrn und deinen Gott anzuerkennen. Ich hoffe und bete, daß auch Du dies erkennst.