Erst mit 17 Jahren fand ich zu einem eigenen, engagierten Glauben an Jesus Christus. Ich begann danach, alle Mitschüler in Diskussionen über den Glauben zu verwickeln. Auch Brenda. In einer Freistunde gingen wir durch die Fußgängerzone in Elmshorn, wo ein Zeuge Jehovas mit dem Wachtturm stand. Eine Randbemerkung über diesen Mann führte dann zu der überraschenden Erkenntnis, dass auch Brenda bei den Zeugen Jehovas war.
Die erste selbst gelesene Wachtturm-Literatur
Sie gab mir ein paar Bücher und Broschüren, die ich las. In Erinnerung sind mir die Titel „Dein Königreich komme“ und „Du kannst für immer im Paradies auf Erden leben“, sowie das Schöpfungsbuch. In diesen Büchern standen merkwürdige Dinge drin, die nicht so recht zu dem passten, was ich nun gerade seit einigen Monaten glaubensmäßig für mich entdeckt hatte. Ich versuchte, darüber mit ihr zu diskutieren, aber sie wich dem Gespräch aus. Sie meinte, sie wüsste jemanden, der das alles besser erklären könnte als sie. So trafen wir uns dann zu dritt in der Stadtbücherei, zwei oder dreimal.
Ungleiche Gespräche
Das waren ungleiche Gespräche, ich selbst frisch im Glauben. Er in der „Predigtdienstschule“ rhetorisch geschult. Ich fühlte mich damit überfahren. Mir ist immer erst hinterher aufgegangen, was ich eigentlich hätte sagen können, was in der Bibel dazu stand.
Im Rückblick waren es, so denke ich, genau diese ungleichen Gespräche, die dafür gesorgt haben, dass mich das Thema seitdem nicht mehr losgelassen hat. Ich gewann damals den Eindruck, dass
- in der Literatur der Zeugen Jehovas systematisch Bibelverse aus dem Zusammenhang gerissen wurden und dass
- Nicht-Zeugen-Jehovas als Kronzeugen für ihre Lehren angeführt wurden, gerne Wissenschaftler oder Theologen, und dass auch hier Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden.
Das Schöpfungsbuch
Besonders aufgefallen ist mir das bei dem Schöpfungsbuch. Nun bin ich selbst mittlerweile ein Anhänger der Schöpfungslehre und sehe die Evolution kritisch. Aber so wie dieses Buch vorgeht, so geht das nicht an. Es wimmelte von Zitaten, die den Anschein erweckten, als wüssten die Evolutionsbiologen selbst ganz genau, was für Lügen sie da erzählten. Und dem wollte ich nun gerne auf den Grund gehen. Das ganze war ja vor der Zeit des Internets und viele der Zitate waren aus englischen Büchern. Aber es gelang mir in der Stadtbücherei von Elmshorn einige der Bücher aufzutreiben. Zwei der Zitate waren eklatant gegen den Sinn des Autors zitiert. Ein Fall ist mir noch deutlich in Erinnerung. Es ging um den von der Evolution behaupteten Übergang von den Fischen zu den Amphibien. Ein Wissenschaftler wurde als Kronzeuge dafür benannt, dass der Quastenflosser es nicht gewesen sei. In dem Buch führte dieser Wissenschaftler tatsächlich aus, dass der Quastenflosser nicht der Übergang vom Fisch zum Amphibium gewesen sei. Er meinte aber, dass es sehr wohl ein sehr naher Verwandter des Quastenflossers gewesen sein müsse. Der zitierte Autor war ein Vertreter der Evolutionslehre und das ganze Buch handelte davon. Aus diesem Buch wurde dann nur ein einziger kleiner Abschnitt herausgegriffen und der Eindruck erweckt, der Autor gestehe ein, dass die Amphibien nicht von den Fischen abstammten. Im Gesamtzusammenhang des Buches sagte der Autor aber das genaue Gegenteil. So etwas ist unredlich und unwissenschaftlich. Ich selbst glaube zwar auch nicht an den Quastenflosser als Übergangsglied, aber den zitierten Wissenschaftler darf man für diesen Zweck der Evolutionskritik eben nicht einspannen.
Brendas Bekannter wischte das aber nur beiseite und meinte, das Zitat wäre richtig, den zitierten Ausschnitt hätte der Autor ja schließlich genau so auch geschrieben. Es war für ihn wohl völlig undenkbar, einzugestehen, dass in der Literatur der Zeugen Jehovas gravierende Fehler enthalten sein könnten.
Das Kronzeugenphänomen
Nachdem nun die Literatur der Zeugen Jehovas bei mir erstmalig Misstrauen hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Sorgfalt geweckt hatte, habe ich in der Folgezeit eine Vielzahl von Zitaten aus der Wachtturm-Literatur nachgeprüft. Es ist mir zu einer Gewohnheit geworden, so etwas zumindest mal anzugoogeln. Es stellt sich heraus: es ist vieles nicht sauber. Besonders auffällig ist hierbei die Dreieinigkeitsbroschüre.
Wissenschaftliche Unredlichkeit
Ich halte das für wirklich besorgniserregend. An sich geht man doch in der intellektuellen Diskussion, in der Wissenschaft, bei gedruckten Büchern davon aus, dass die Zitate, die jemand anführt, stimmen. Der Wachtturm beruft sich auf gewichtige Autoritäten und macht damit Eindruck auf viele Menschen, und das wiederholt zu Unrecht.
Ich kenne keine andere christliche Organisation, die so vorgeht. Wäre es nicht besser, man zitierte Wissenschaftler aus den eigenen Reihen? Warum hat der Wachtturm es nötig, Nichtmitglieder gegen den Sinn zu zitieren? Könnte es daran liegen, dass so manches, was im Wachtturm steht, wissenschaftlich und theologisch nicht haltbar ist? Einfach deshalb, weil es in der Bibel anders steht?
Dokumentation
Jetzt in den Zeiten des Internets sind viele der zitierten Werke leicher erreichbar als damals. Das oben genannte Buch und weitere Fälle habe ich hier dokumentiert.