Edward Washburn Hopkins zur Dreieinigkeit

In der Dreieinigkeitsbroschüre der Zeugen Jehovas kommt Edward Washburn Hopkins zu Wort (Seite 6 unter „Das Zeugnis der Griechischen Schriften“):

E. Washburn Hopkins, Professor an der Yale-Universität, bestätigt das mit den Worten: „Jesus und Paulus wußten offenbar nichts von der Trinitätslehre; . . . jedenfalls erwähnten sie sie nie“ (Origin and Evolution of Religion).

Die erste Frage, die man sich hier stellen muss, lautet: Wer ist Edward Washburn Hopkins? Sein (englischer) Wikipedia-Artikel zeigt: er war Professor, und zwar für

  • Sanskrit, also für das alte Indisch, in dem die „heiligen Schriften“ der Hindus verfasst wurden sowie für
  • Vergleichende Philologie.

Beides sind keine Fächer, die sich primär mit dem christlichen Glauben und seiner Geschichte befassen. Er hat eine Reihe von Büchern geschrieben (siehe Wikipedia), sie befassen sich mit Themen aus dem Bereich der Religion Indiens.

Auf den Punkt gebracht: Washburn Hopkins war kein christlicher Theologe. Die Entwicklung der Dreieinigkeitslehre des christlichen Glaubens ist kein Teil seines Fachs gewesen. Einen qualifizierten Beitrag zur Frage der Dreieinigkeitslehre kann man daher von ihm nicht erwarten.

1923, also im Alter von 67 Jahren veröffentlichte er das Buch „Origin and Evolution of Religion“. Dieses Buch findet sich online auf archive.org.

Das Buch befasst sich mit Religion im allgemeinen und behandelt die Entwicklung von Stammesreligionen, Buddhismus, Hinduismus, Islam und auch des Christentums.

Die Dreieinigkeitsbroschüre nennt die Seitenzahl nicht. Das Zitat stammt von Seite 336 aus dem Kapitel 20 („The Christian Trinity“).

Dieses Kapitel beginnt mit:

„Christianiy, though built upon the rock of Peter, utilized for the construction of its Church much pagan material, some of which had filtered through Jewish sources, while some was inherited from Mediterranean and Grecian cults.“

„Das Christentum, auch wenn es auf dem Fels des Petrus aufgebaut ist, benutzte für die Konstruktion seiner Kirche viel heidnisches Material. Einiges davon hat seinen Weg über jüdische Quellen gefunden, anderes war von Kulten des Mittelmeerraums und der Griechen ererbt“.

Er nennt dann beispielsweise: Taufe, Fasten, Reinigung, Nachtwache, Wunderheilung, Wasser, das in Wen gewandelt wird, die Lehre von einem Erlöser.

Wie kann die Wachtturmgesellschaft so jemanden als Wissenschaftler zur Dreieinigkeitslehre anführen, wo Washburn Hopkins selbst offenbar gar kein Christ ist und meint Taufe und sogar der Glaube an einen Erlöser sei heidnischen Ursprungs?

Aber kommen wir zum eigentlichen Zitat, zunächst im englischen Original, darunter von mir übersetzt:

The early Church declared that Christ was the Logos and that the Logos was God. As such, though the earlier Gospels give no hint of this, Christ in John is represented as remembering his preexistence. Paul does not say that Christ is God, but he identifies Christ with the Holy Spirit and applies to him words of the Old Testament used of God: „I am God and … unto me every knee shall bow“ (Is. 45:22,23; Phil 2:10). Christ is God’s Spirit from heaven reigning in men, Lord and Master, opposed to flesh (Adam). Thus Paul’s mysticism concerned Christ, whereas the mysticism of John concerned God; not spirit and flesh, but light and darkness, a Gnostic antithesis, neither Jewish nor early Greek. The germs of the Logos-doctrine are found in Paul’s later epistels. Justin, Tatian, and other early writers identified the Spirit and Logos. The beginning of the trinity appears already in John (c. 100). To Jesus and Paul the doctrine of the trinity was apparently unknown: at any rate, they say nothing about it. The word trinity is not used before 180-200, in Greek and Latin form.

Zu deutsch (Hervorhebungen von mir)

Die frühe Kirche erklärte, dass Christus der Logos [d.h. das Wort] war, und dass der Logos Gott war. Obwohl die früheren Evangelien keinen Hinweis darauf geben, wird Christus im Johannesevangelium so dargestellt, dass er sich an seine Präexistenz erinnert. Paulus sagt nicht, dass Christus Gott ist, aber er identifiziert Christus mit dem Heiligen Geist und wendet auf ihn Worte des Alten Testaments an, die dort von Gott gebraucht werden: „Ich bin Gott und… mir sollen sich alle Knie beugen.“ (Jes 45:22+23; Phil 2:10). Christus ist der Geist Gottes, der vom Himmel her als Herr und Meister in Menschen regiert, im Gegensatz zum Fleisch (Adam). Das bedeutet: Der Mystizismus von Paulus befasst sich mit Christus, wohingegen sich der Mystizismus von Johannes mit Gott befasst. Nicht [der Unterschied von] Geist und Fleisch, sondern von Licht und Dunkelheit, eine gnostische Antithese, weder jüdisch noch frühgriechisch. Der Keim der Logos-Lehre findet sich in den späteren Briefen des Paulus. Justinian, Tatian und andere frühe Autoren setzten den Geist und den Logos gleich. Der Beginn der Dreieinigkeit findet sich schon im Johannesevangelium (ca. 100). Für Jesus und Paulus war die Lehre von der Dreieinigkeit offenbar unbekannt. Jedenfalls haben sie darüber nichts gesagt. Das Wort Dreieinigkeit ist nicht vor 180-200 verwendet worden, in griechischer und lateinischer Form.

Auch wenn Washburn Hopkins so ziemlich alles für heidnisch hält, was Christen heilig ist (siehe oben), so wird deutlich: hätte die Dreieinigkeitsbroschüre ein paar Sätze des Zusammenhangs mitzitiert, wäre dieser Autor für die Broschüre nicht geeignet gewesen. Im Gegenteil.

Washburn Hopkins stellt korrekterweise fest:

  • (Basierend auf Joh 1:1): die frühe Kirche hat erklärt: das Christus war das Wort und das Wort war Gott.
  • Paulus nimmt ein Zitat aus Jesaja 45:22+23, das sich dort auf Gott bezieht und wendet es in Phil 2:10 auf Christus an.
  • Der Beginn der Dreieinigkeitslehre findet sich schon im Johannesevangelium.
  • Der Begriff Dreieinigkeit selbst, und zwar nur der Begriff, ist erst später geprägt worden.

Fazit:

Die Dreieinigkeitsbroschüre führt Washburn Hopkins zu Unrecht als Kronzeugen gegen die Dreieinigkeitslehre an. Wer auch immer in der Wachtturmzentrale nach Zitaten von Gelehrten gesucht hat, die man gegen die Dreieinigkeitslehre anführen kann, der musste wissen, dass er Washburn Hopkins hier zu Unrecht anführt.

Der Satz direkt vor dem gewählten Zitat stellt fest, dass der Beginn dieser Lehre schon im Johannesevangelium zu finden ist. Dieses missbräuchliche Zitat in der Dreieinigkeitsbroschüre der Zeugen Jehovas ist damit so krass, dass ich hier von einer bewussten Fälschung sprechen muss.